Behandlung in einer Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik
Wie sieht der Alltag für Patientinnen und Patienten im Heinrich Sengelmann Krankenhaus aus? Prof. Dr. Matthias Lemke, Psychiater, Psychotherapeut und Ärztlicher Direktor der Heinrich Sengelmann Kliniken, gibt einen Einblick.
Warum werden Menschen in einer Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik behandelt?
Prof. Lemke: Wenn ein Mensch in einer Lebenskrise ist und seelisch erkrankt, dann kann ihn das so sehr aus der Bahn werfen, dass ambulante Angebote wie Psychotherapie oder auch die Behandlung in einer Tagesklinik nicht ausreichen, um aus dieser Krise herauszukommen. Wir bieten einen Schutzraum für die Seele. Hier ist Zeit und Ruhe, gemeinsam mit dem Patienten oder der Patientin zu schauen: Wie kann der Mensch stabilisiert werden, wie kann er wieder seine eigenen Kräfte mobilisieren? Was waren Auslöser für die Krise, und was kann der Mensch dafür tun, dass er mehr im „seelischen Gleichgewicht“ lebt? Höhen und Tiefen, auch schwere Krisen gehören zu jedem Leben dazu. Wir bieten Hilfe, wenn die Krise nicht aus eigener Kraft bewältigt werden kann.
Es gibt im Heinrich Sengelmann Krankenhaus eine Notaufnahme und einen geschlossenen Bereich – was passiert dort?
Prof. Lemke: Wer in die Notaufnahme kommt, ist – bildlich gesprochen – in einem Ausnahmezustand. Die meisten Patient*innen kommen selbst, einige werden von der Polizei gebracht, weil zum Beispiel das Risiko besteht, dass sie sich selbst oder andere gefährden könnten. Ein Aspekt ist sehr wichtig: wir sind keine forensische Psychiatrie, kein sogenannter Maßregelvollzug für psychisch kranke Straftäter, hierfür gibt es spezialisierte Kliniken. Der geschlossene Bereich ist ein geschützter Raum mit besonders geschulten Mitarbeiter*innen. Ziel ist es hier, den Ausnahmezustand zu beenden – durch Gespräche, Schutz und Ruhe, auch dem abgestimmten Einsatz von Medikamenten. Dies ist die Voraussetzung für die weitere Behandlung. Der Aufenthalt im geschlossenen Bereich ist so kurz wie möglich und so lang wie nötig – im Durchschnitt weniger als 10 Tage.
Wie sieht ein ganz normaler Tag in der Psychiatrie aus?
Prof. Lemke: Viele unserer Patient*innen leiden unter Depressionen, Ängsten, Erschöpfung und können ihren Alltag nicht mehr bewältigen. In Kombination mit der medizinischen Behandlung und der psychosozialen Unterstützung machen wir im Heinrich Sengelmann Krankenhaus in Ergänzung zu den Gesprächstherapien sehr viele Angebote, um wieder Zugang zu den eigenen Gefühlen und Fähigkeiten zu finden, ihren Körper wahrzunehmen, um wieder in Bewegung, ins Tun zu kommen: mit den Händen bei der Gartentherapie, beim Trommeln in der Musiktherapie, mit den Farben in der Kunsttherapie, beim Schwimmen in unserem Bewegungsbad. Die Menschen spüren sich wieder, gestalten etwas – das bringt häufig auch wieder seelische Prozesse in Gang, die ins Stocken geraten waren. Sie kommen wieder in den Kontakt mit sich selbst und können in der Distanz zum Alltag die Dinge mit etwas Abstand betrachten. Unsere Lage in der Natur, der Blick über die Felder, unsere Schafe auf dem Gelände – das wirkt beruhigend, und vielen Menschen gibt dies Kraft, wieder eine Perspektive für das eigene Leben zu entwickeln.